Sonntag, 9. Mai 2010

Antike Gebäude (2) - Das Pulvinar des Augustus, oder: Wo der erste Kaiser die Wagenrennen sah

Ich lese gerade das Buch Die Kaiserpaläste auf dem Palatin in Rom von Adolf Hoffmann und Ulrike Wulf (Ed.) über die Erforschung des Palatin in Rom. Derzeit versuche ich vor allem, mich auf dem Hügel zu orientieren. Dabei bin ich auf das Pulvinar gestoßen, laut Samuel Ball Platner
"eine Art Box auf der palatinischen Seite des circus [maximus, oho], von der aus die kaiserliche Familie die Spiele sehen konnte".

Als ich in den "Kaiserpalästen" im ersten (Übersichts-)Kapitel davon laß, dachte ich an einen Ausblickspunkt, der unmittelbar an das Haus des Augustus - das direkt oberhalb des Circus Maximus auf der südwestlichen Hügelflanke des Palatin lag - angebaut war. Aus der heutigen Lage ist das unter Einsatz von Google Earth / Street Map schwer zu rekonsturieren. Allerdings beträgt der Abstand von dem Gebäude, das wohl heute ein Museum (?) ist und das über dem Haus der Augustus stehen muss, gerade einmal 200 Meter Luftlinie - also durchaus Sichtweite. Demnach könnte das ein Platz gewesen sein, von dem aus Augustus mit Livia und anderen die Wagenrennen im Circus Maximus verfolgt haben - ohne dabei mit dem Pöbel in Berührung zu kommen.

Ob das die Absicht des sich volksnah gebenden ersten Kaisers gewesen sein kann, würde ich aber eher bezweifeln. Kann das im Circus versammelte Volk über zwei- oder dreihundert Meter gesehen haben, wie Augustus auf dem Pulvinar stand und zusah, um sich mit ihnen zumindest ideologisch gleichzustellen und zugleich zu zeigen, dass er selbst es war, der ihnen diese großzügige Form der Unterhaltung ermöglichte?

Die Beschreibung Ball Platners lässt auch die Möglichkeit zu, dass sich die "box" direkt im Circus Maximus befand; dann wäre eher an eine bauliche Verbindung zwischen Augustus' Haus und dieser Ehrentribüne in der Arena zu denken. Quasi der kurze Weg für den Imperator.

Die Ansichten von Rom, die Google über Earth / Street View ermöglicht, sind übrigens spektakulär und jedem zu empfehlen, der wie ich leider nicht nach Rom kommt. Allerdings verstellt natürlich die moderne Bebauung im doppelten Sinne des Wortes den ungestörten Blick auf den Palatin von unten. Der Screenshot (Street View) zeigt einen Blick von der Ecke Via San Teodoro / Via dei Cerchi ungefähr nach Nord-Nordost.


Zur Orientierung für den Resienden: Rechts am Ende des Platzes, der von dem modernen Gebäude verdeckt ist, steht nicht - wie ich zuerst dachte - die Kirche San Teodoro al Palatino.Es handelt sich vielmehr um die Kirche Basilica San Anastasia; das Schild ist auf den Bildern leicht zu lesen. Die inzwischen orthodoxe Kirche des Heiligen Theodor liegt die Straße den Hügel hinauf Richtung Forum Romanum. Zur Heiligen Anatsasia am Fuße des Palatin gibt es leider nur eine italienische Seite
, was ich nicht gut genug verstehe und die deshalb nicht beurteilen kann.

Die Gerüste oberhalb des Abhangs sind nach meinem Dafürhalten und Konsultation des leider nicht in den Rest der Stadt eingeordneten Bebauungsplans des Palatin in den "Kaiserpalästen" entweder für Bauarbeiten am Tempel der Magna Mater - der aber m. E. im Bild weiter vorn und weiter rechts liegen müsste - oder - was ich für wahrscheinlicher halte - an der Domus Tiberiana. Vielleicht sind es auch einfach nur Arbeiten an den Mauern, die den Abhang stützen - das scheint sich aus den Street-View-Bildern zu ergeben, wenn man dem Straßenverlauf folgt. Zur genauen Lokalisierung erhoffe ich mir mehr Information im entsprechenden Kapitel der "Kaiserpaläste" mit dem vielversprechenden Untertitel "Vom Wohnquartier zum Kaiserpalast".

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