Freitag, 21. Mai 2010

Die Schlacht auf dem Salzfeld oder: Wie die Hunnen zu Prokops Zeiten den Kampf begannen


Sommersonnenwende 534, im siebten Jahr der Herrschaft Justinians: Belisar beginnt den Vormarsch auf Karthago, um im Auftrag des oströmischen Kaiers die Vandalen dort anzugreifen. Prokop selbst hat vorher auf Sizilien die nötigen Informationen für die Attacke vom Sklaven eines dort als Händler tätigen Jugendfreundes erhalten. Die Vandalen unter König Gelimer sind unvorbereitet und marschieren in drei Säulen auf die Römer zu. Der erste Angriff an der rechten Flanke - zur Küste hin, wo die Flotte Kap Bon umschiffen muss und deshalb nicht für Deckung sorgen kann, wird abgeschlagen. Die linke Flanke von Belisars Heer wird durch Massageten-Socii gedeckt, de facto also hunnische Söldner. Sie treffen in einer Salzpfanne in der Nähe Karthagos auf die germanische Abteilung:

"[Seite 88] ... Fast zur gleichen Zeit kamen Gibamund und seine zwei tausend Mann auf dem Salzfelde an, welches vierzig Stadien [~ 7,2 Kilometer, oho] von Decimum entfernt ist, wenn man auf der linken Seite nach Karthago geht. Es ist leer von Menschen, Bäumen und jedem andern Erzeugnisse; das Salzwasser erlaubt nicht, daß in dieser Gegend sonst etwas anderes, als Salz entstehe. [Anm. 2: Dicht bei Karthago finden sich schon Salzquellen und auch in Tunis ist das Wasser salzig. Der drei Meilen lange Strich zwischen Tunis und Karthago ist dürres, trockenes Land und gehört zu der Ebene Biserte, die von Karthago gegen Süden und Osten liegt und welche hier gemeint ist. Dapper (???, oho) p. 286 Shaw (???),oho) p 75.] Dort stießen sie auf die Hunnen und wurden sämmtlich zu Grunde gerichtet. Es befand sich unter den Massageten ein Mann, der [Seite 89] sich zwar durch Tapferkeit und Körperkraft auszeichnete, aber nur wenige Leute befehligte. Dieser hatte, von Vätern und Vorfahren her, bei allen hunnischen Heerscharen das Vorrecht, zuerst in die Feinde einzufallen. Denn kein Massagete hatte die Befugniß, vorandringend, in dem Gefechte jemanden von den Feinden eher anzugreifen, als bis einer aus diesem Hause mit den Feinden den Kampf angefangen hatte. Dieser Mann sprengte mit seinem Pferde, als die Heerscharen einander nicht mehr fern waren, vor, und blieb ganz allein dicht vor dem Heerhaufen der Wandilen halten. Die Wandilen, entweder durch die Dreistigkeit des Mannes in Erstaunen gesetzt, oder argwöhnend, daß der Feind ein besonderes Kunststück im Sinne führe, kamen zu keiner Entschließung, eine Bewegung zu machen, oder den Mann anzugreifen. Ich vermuthe aber, daß, weil sie sich noch niemals mit den Massageten im Gefechte gemessen, wohl aber gehört hatten, daß es ein sehr streitbares Volk sey, sie deswegen vor der Gefahr sich gescheuet haben. Jener Mensch, welcher zu seinen Stammesverwandten zurück kehrte, sagte ihnen auf seine Weise: 'Gott habe diese Fremdlinge da ihnen als einen bereiteten Bissen zugesendet.' Als diese sodann vorstürzten, hielten die Wandilen nicht Stand, sondern löseten ihre Ordnung auf und wurden, ohne an die mindeste Gegenwehr zu denken, schimpflich alle niedergemetzelt. [Anm. 3: Zwei tausend von 600 Mann.] [Seite 90] Neunzehntes Kapitel ...]

Quelle: Des Procopius von Cäsarea Geschichte seiner Zeit, Erster Band enthaltend Persische Denkwürdigkeiten in zwei Büchern, übersetzt und mit Erläuterungen von Dr. Pet. Friedr. Kanngießer, Professort in Greifswald, ebd. in der Akademischen Buchhandlung 1827, 18. Kapitel.

Leider erwähnt Prokop nicht den Namen des Hunnen, der die Schlacht immer als erster eröffnen durfte. War er gar ein Schamane, ein adliger Priester? Schließlich beruft er sich auf "Gott". In meiner modernen heißt es sinnigerweise "die Gottheit". Und ich wüsste gerne, ob es diese Sitte bereits ein Jahrhundert zuvor unter Attila gegeben hat.

Donnerstag, 13. Mai 2010

Orte in Rom - Die Südwestecke des Palatin oder: Wo Augustus wohnte


Der Palatin beginnt, in meiner Vorstellungswelt zu entstehen. Erste Erkenntnis: Die auf dem Screenshot von Google Street View zu sehenden Gerüste rühren tatsächlich von Arbeiten an antiken Stützmauern her. Dabei dürfte sich um die handeln, hinter denen oben auf dem Hügel die Domus Tiberiana stand - wie ich bereits vermutet habe.

Der zweite Aufsatz in den Kaiserpalästen ist tatsächlich schwer zu lesen, wenn man die Geographie des Ortes nicht kennt. Dafür kann man aber viel darüber erfahren, wenn man sich damit auseinandersetzt. Das gilt sowohl für die antiken Bauten selbst wie für die Sitten und die Bedeutung, die die Römer über die Zeiten mit dem Ort verbanden.

Auf Basis der Angaben von Patrizio Pensabene in Das Heiligtum der Kybele und die Untergeschossbauten im Südwesten des Palatin (Kaiserpaläste, S. 18-31) und der dort abgedruckten Fundkarten habe ich versucht, die Gebäude in einem Foto des Modells von Italo Gismondi, das wohl im Stadtrömischen Museum steht und das auf Flickr zu finden ist, zu kennzeichnen.



Die dunkelgrünen Striche stellen den von mir vermuteten Verlauf der beiden Aufgänge an dieser Seite des Palatin dar: des Clivus Victoriae, der sich vom Velabrum kommend an der Seite des Abhang hinaufschlängelte, und der Scalae Caci, in die dieser Clivus mündete, wo eine Hütte als Haus der Romulus verehrt wurde, und an deren Anfang am Fuß des Hügels wohl das Lupercal zu suchen ist.

Was mir nicht bewusst war, ist die Bedeutung, die diese Ecke des Palatin auch schon in republikanischer Zeit für die Römer gehabt haben muss. Er wurde laut Pensabene im späten 4. Jhd. vuz "grandios" umgebaut. Er erklärt diesen "Entwicklungsschub ... vielleicht mit dem Wunsch", den Palatin

"nach dem Athener Vorbild zu einer Akropolis auszubauen - der Victoria-Tempel, das 'Haus des Romulus' und das Lupercal wiederholen die Organisation der Akropolis und ihrer Abgänge mir dem Parthenon, dem Erechteion und dem Lykeion".

Das spiegelt demnach die Entwicklung der Republik zu einer Mittelmacht wider, die sich nach der Unterwerfung Mittelitaliens gegen die hellenistischen Griechen im Süden der Halbinsel und im östlichen Mittelmeer sowie Karthago im westlichen Mittelmeer behaupten muss. Das begründet Pensabene mit zwei religiösen Entwicklungen: zunächst der stärkeren Verehrung der Victoria als eigenständiger Göttin, dann mit der Einführung des Kybele-Kultus.

Zum Victoria-Tempel schreibt Pensabene unter Berufung auf Titus Livius (X, 33), dass er 294 vuz von Lucius Postumius Megellus eingeweiht worden sei. Der Kult sei zwar offenbar nur erneuert worden. Der Bau zeige aber, dass er wegen der "Geschehnisse (...) um Romulus" - er meint offenbar dessen Sieg über seinen Bruder Remus - und vor allem wegen des Sieges der Römer im Samnitenkrieg sowie der Eroberungen in Süditalien gegen Ende des 4. und Beginn des 3. Jhds. vuz die Verehrung der Siegesgöttin an Bedeutung gewonnen habe. Auch dürfe nicht der nicht lange zurückliegende Welteroberungsfeldzug Alexanders des Großen nicht vergessen werden. Die "Theologie der Victoria" sei in Rom

"unter den gleichen Bedingungen wie bei den hellenistischen Monarchien gefördert (worden), das heißt durch die Umwälzungen einer neuen politischen Ordnung und durch die religiöse Rechtfertigung territorialer Expansion, in deren Folge der Sieg in den Rang einer neuen Gottheit aufstieg". (Kaiserpaläste, S. 20-21)

Für den Tempelbau begannen die Römer Pensabene zufolge mit der Errichtung von Substruktionen, wohl um das Gebäude gegen ein mögliches Abrutschen am Hang zu stabilisieren. Diese Substruktionen überwölbten demnach bereits den Clivus Victoriae. Die unterirdischen Räume waren offenbar zugänglich und wurden wohl auch genutzt. Die alte Straße sei im Zuge dessen leicht verlegt worden.

Augustus habe der Göttin Victoria später noch einmal eine stärkere Wertschätzung zukommen lassen - nicht zuletzt, weil der Geburtstag des Tempels auf den 1. August fiel. Das ist der Tag seines Sieges in der Seeschlacht von Actium 30 vuz und seines Einzugs in Alexandreia nach der Niederlage und dem Selbstmord Marcus Antonius'. Bezeichnenderweise nahm er diesen Monat, um ihn nach sich zu benennen, und setzte den ersten Tag auch als dies natalis des Tempels des Mars Ultor auf seinem neuen Forum fest. Das war immerhin der Bau, mit dem er den Tod der Cäsar-Mörder feierte, und in dem einer Legende nach dessen Schwert aufbewahrt worden sein soll.

Der Kult der Kybele kam 204/205 vuz aus Pessinus in Kleinasien nach Rom, wo die Göttermutter Magna Mater genannt wurde. Die Stadt war in Aufregung: Niemand wusste, was der in Italien eingefallene Hannibal vorhatte. In der Not zogen die Römer ihre Sybillinischen Bücher zu Rate - auch das Apollon-Orakel von Delphi soll seine legendäre Rolle gespielt haben. Das Ergebnis: Eine Delegation schaffte einen schwarzen Meteoriten in die Stadt, Hannibal unterlag den Römern (Kaiserpaläste, S. 22).

Der Kult wurde offenbar seht beliebt, obwohl er eingangs eher reichen Familien diente, ihren Einfluss auf die Außenpolitik zu untermauern, etwa den Scipio in Person des Scipio Nasica. Das alles geschah

"ungeachtet der kultischen Aspekte mit orientalischer Tradition, wie die Musik, der Tanz oder die rituelle Kastrationm, der sich eine bestimmte Gruppe von Kultdienern (die galli) zu unterwerfen hatten, die nach römischer Vorstellung für unrein gehalten wurden". (Kaiserpaläste, S. 22)

Vor allem die Megalensischen Spiele zu Ehren der Magna Mater dürften traditionellen Römern zunächst sauer aufgestoßen sein. Schließlich gehörten "zeremonielle Festbankette und die Theateraufführungen" im Rahmen der sogenannte Megalensischen Spiele [...] nicht unbedingt zu ihrer Vorstellung von Römertum. Bis kurz vorher waren Theatersspiele sogar noch komplett untersagt worden - da kein Gebäude dafür vorhanden war, nahm man den durch die Substruktionen vergrößerten Platz vor dem Kybele-Tempel. Und auf diesem Platz führten auch die Korybanten, die bewaffneten Ehrentänzer der Kybele, und die alten Tanzpriester der Salii aus der Curia Saliorum - möglicherweise das spätere Haus der Livia - ihren komplizierten Tanz auf.

Dieser Platz hatte also enorme sakrale Bedeutung für die Römer. Einen so hohen Stellenwert in der Religion hatte ich bislang nur dem Kapitol zugemessen. Dort wurden schließlich die drei Hauptgottheiten - Gottvater Jupiter, Matrone Iuno und Athena-Minerva - verehrt. Allerdings habe ich mit deren Kult nicht eingängig beschäftigt. Wahrscheinlich hat im Alltag eines Großteils des Volks ohnehin die Plebejer-Weihestätte der Ceres, des Liber und der Libera (also Demeter, Bakchos und Kore) direkt im Tal dem Palatin gegenüber zwischen dem Circus Maximus und dem Aventin eine größere Rolle gespielt. Ich muss mich mit diesem Aspekt noch einmal beschäftigen.

Klarer wird, warum Augustus diesen Platz, der seinerzeit mit den Stadthäusern vieler reicher Römer bebaut gewesen sein muss - vgl. das erste Kapitel der Kaiserpaläste, das sich mit der Entwicklung dieser Liegenschaft befasst - als sein Domizil ausgesucht hat. Denn wer hinaufstieg, musste an den bedeutendsten Heiligtümern des vergöttlichten Stadtgründers vorbei. Augustus stellte sich damit in eine Reihe mit ihm - auch hier versucht er offenbar, als legitimer Nachfolger des Romulus zu erscheinen. Der Tempel seines persönlichen Schutzgottes, des Apollon, dürfte diesen Eindruck für den Besucher noch verstärkt haben.

Sonntag, 9. Mai 2010

Antike Gebäude (2) - Das Pulvinar des Augustus, oder: Wo der erste Kaiser die Wagenrennen sah

Ich lese gerade das Buch Die Kaiserpaläste auf dem Palatin in Rom von Adolf Hoffmann und Ulrike Wulf (Ed.) über die Erforschung des Palatin in Rom. Derzeit versuche ich vor allem, mich auf dem Hügel zu orientieren. Dabei bin ich auf das Pulvinar gestoßen, laut Samuel Ball Platner
"eine Art Box auf der palatinischen Seite des circus [maximus, oho], von der aus die kaiserliche Familie die Spiele sehen konnte".

Als ich in den "Kaiserpalästen" im ersten (Übersichts-)Kapitel davon laß, dachte ich an einen Ausblickspunkt, der unmittelbar an das Haus des Augustus - das direkt oberhalb des Circus Maximus auf der südwestlichen Hügelflanke des Palatin lag - angebaut war. Aus der heutigen Lage ist das unter Einsatz von Google Earth / Street Map schwer zu rekonsturieren. Allerdings beträgt der Abstand von dem Gebäude, das wohl heute ein Museum (?) ist und das über dem Haus der Augustus stehen muss, gerade einmal 200 Meter Luftlinie - also durchaus Sichtweite. Demnach könnte das ein Platz gewesen sein, von dem aus Augustus mit Livia und anderen die Wagenrennen im Circus Maximus verfolgt haben - ohne dabei mit dem Pöbel in Berührung zu kommen.

Ob das die Absicht des sich volksnah gebenden ersten Kaisers gewesen sein kann, würde ich aber eher bezweifeln. Kann das im Circus versammelte Volk über zwei- oder dreihundert Meter gesehen haben, wie Augustus auf dem Pulvinar stand und zusah, um sich mit ihnen zumindest ideologisch gleichzustellen und zugleich zu zeigen, dass er selbst es war, der ihnen diese großzügige Form der Unterhaltung ermöglichte?

Die Beschreibung Ball Platners lässt auch die Möglichkeit zu, dass sich die "box" direkt im Circus Maximus befand; dann wäre eher an eine bauliche Verbindung zwischen Augustus' Haus und dieser Ehrentribüne in der Arena zu denken. Quasi der kurze Weg für den Imperator.

Die Ansichten von Rom, die Google über Earth / Street View ermöglicht, sind übrigens spektakulär und jedem zu empfehlen, der wie ich leider nicht nach Rom kommt. Allerdings verstellt natürlich die moderne Bebauung im doppelten Sinne des Wortes den ungestörten Blick auf den Palatin von unten. Der Screenshot (Street View) zeigt einen Blick von der Ecke Via San Teodoro / Via dei Cerchi ungefähr nach Nord-Nordost.


Zur Orientierung für den Resienden: Rechts am Ende des Platzes, der von dem modernen Gebäude verdeckt ist, steht nicht - wie ich zuerst dachte - die Kirche San Teodoro al Palatino.Es handelt sich vielmehr um die Kirche Basilica San Anastasia; das Schild ist auf den Bildern leicht zu lesen. Die inzwischen orthodoxe Kirche des Heiligen Theodor liegt die Straße den Hügel hinauf Richtung Forum Romanum. Zur Heiligen Anatsasia am Fuße des Palatin gibt es leider nur eine italienische Seite
, was ich nicht gut genug verstehe und die deshalb nicht beurteilen kann.

Die Gerüste oberhalb des Abhangs sind nach meinem Dafürhalten und Konsultation des leider nicht in den Rest der Stadt eingeordneten Bebauungsplans des Palatin in den "Kaiserpalästen" entweder für Bauarbeiten am Tempel der Magna Mater - der aber m. E. im Bild weiter vorn und weiter rechts liegen müsste - oder - was ich für wahrscheinlicher halte - an der Domus Tiberiana. Vielleicht sind es auch einfach nur Arbeiten an den Mauern, die den Abhang stützen - das scheint sich aus den Street-View-Bildern zu ergeben, wenn man dem Straßenverlauf folgt. Zur genauen Lokalisierung erhoffe ich mir mehr Information im entsprechenden Kapitel der "Kaiserpaläste" mit dem vielversprechenden Untertitel "Vom Wohnquartier zum Kaiserpalast".