Samstag, 5. Juni 2010

Der Tod des Perikles, oder: Warum das Meiste im Kriege durch Klugheit und Geldüberfluss entschieden wird

Wahrscheinlich ist es im Sommer 431 vuz sehr heiß am Isthmos von Korinth, wo die Spartaner ihr Heer und das ihrer Verbündeten sammeln, um in Attika einzufallen. Es ist der Beginn einer der großen griechischen Tragödien, die das Land - kaum als Sieger aus den Perserkriegen hervorgegangen - verwüstete und nur Verlierer zurückließ. Die Spannungen zwischen den Protagonisten Sparta und Athen hatten sich über Jahre aufgebaut. Jetzt entlädt sie sich in einem absehbaren Gemetztel.

Während sich die Gegner an der Grenze Attikas bereit machen, macht der wichtigste Feldherr der Athener, Perikles, dem Volk Mut - nicht nur, indem er ihnen die Stärke ihres Heeres und vor allem der Flotte vor Augen führt, sondern auch, indem er ihnen ihre schiere materielle Macht in Form ihres Goldes demonstrier. Thukydides berichtet ausführlich darüber. Laut Klaus Meister, Die finanzielle Ausgangssituation Athens zu Beginn des Peloponnesischen Krieges, im Tagungsbericht der Forschungsprojekt Antike Kriegskosten gibt die Stelle "einen umfassenden Überblick über die finanzielle Situation der Athener zu Beginn des Peloponnesischen Krieges". In Buch II 13, 2-5 spricht Thukydides Klartext:

"[Seite 365] ... Auch ermahnte er sie in Bezug auf die Gegenwart, wie schon früher, sich zum Kriege zu rüsten, und das Ihrige vom Lande hereinzuschaffen; nicht zur Schlacht auszurücken, sondern sich in die Stadt zu ziehen und diese zu beschützen, die Seemacht, worin ihre Stärke liege, in guten Stand zu setzen [Seite 366] und die Sache der Bundesgenossen in Acht zu halten, (Anm. 2: eigentlich "unter der Hand behalten, nicht aus der Hand lassen"; alternative Übersetzung: "sorgfältig zu beobachten") bemerkend, daß ihnen ihre Stärke von deren Geldbeyträgen erwachse, das Meiste im Kriege aber durch Klugheit und Geldüberfluß entschieden werde. Er hieß sie muthig seyn, da sechshundert Talente (Anm. 3: Das Talent bertug 1447 Thaler 16 Groschen sächsisch; oder 2605 Gulden 49 Kreuzer rheinisch.) an Steuern jährlich meist von den Bundesgenossen der Stadt zufließe, ohne die übrigen Einkünfte; auch seyen auf der Burg (der Akropolis, oho) noch dermalen an geprägtem Gelde sechstausend Talente vorräthig. Denn die größte Summe (dieses Schatzes) hatte zehntausend weniger dreyhundert betragen, wovon (ein Theil) auf die Vorhalle der Burg (vielleicht die Propyläen?, oho) und andere Gebäude, auch auf Potidäa war verwendet worden. Außerdem war an ungeprägtem Gold und Silber, an besondern und öffentlichen Weihgeschenken, an heiligen Geräthschaften zu Festaufzügen und Kampfspielen, und an Medischer Beute und was sonst dergleichen nicht weniger, als fünfhundert Talente vorhanden. Auch rechnete er noch dazu die nicht unbedeutenden Schätze von andern Heiligthümern, deren sie sich bedienen könnten, und, wenn sie durchaus von allem entblößt wären, des goldenen Belegs der Göttin (Minerva {Athene, oho}) selbst, wobey er zeigte, daß die Bildsäule vierzig Talente geläuterten Goldes (Anm. 4: Das Goldtalent betrug ohngefähr an Werth 33,875 Gulden rheinisch, folglich machte das Gold an der Minervens Bildsäule zusammen genommen gegen 1,1355,02 rheinische Gulden aus. Alternative Übersetzung zu "geläutertem": ungekochtes Gold) an Gewicht habe, und daß dieß ganz abzunehmen sey. Nur, hätten sie es zu ihrer Rettung gebraucht, fügte er hinzu, müßten sie es nicht geringer wieder ersetzen. (Anm. 5: über den Wert des Goldes an den Athena-Statue, s.u., oho.) [Seite 367] So machte er sie nun durch die Schätze muthig

Übersetzung hier und später: Thuydides, Geschichte des Pelopponesischen Krieges, aus dem Griechischen übersetzt und mit Anmerkungen versehen von Dr. Heinrich Wilhelm Friedrich Klein, Professor am Gymnasium zu Hildburgshausen, Erster Band I und II, München 1828

Sehen wir uns die Aufstellung im Einzelnen an:

600 Talente Steuereinnahmen jährlich, "meist von den Bundesgenossen"
6000 Talente "an geprägtem Golde", also Münzen, "auf der Burg"
500 Talente "an öffentichen Weihgeschenken, heiligen Geräthschaften"
40 Talente "geläuterten", also reinen und unegprägten Goldes = 1040 Kilogramm oder 32.347,6 Feinunzen (á 31,1 Gramm)

Die Frage, wie viel das alles aktuell Wert wäre, hat schon die Forscher des 19. Jhdts. uz umgetrieben. Die Diskussion führt Übersetzer Klein in der Fußnote 5 zum 13. Kapitel des II. Buches. Deutlich macht Klein dabei, das zwischen dem Gewicht /der Währung Talent und dem Wert des reinen Goldes an der Athena-Statue unterschieden werden muss. Was wie errechnet werden müsste, bleibt indes unklar.

Dort findet sich übrigens auch die Stelle, in der Plinius der Ältere (XXXVI 4,4) und Pausanias Periegetes (1,24,7) das goldene Gewand beschreibt, das die Bildsäule schmückte. Klein beruft sich auf den Gelehrten Gabriel Gottfried Bredow, wenn er zitiert, es habe sich um eine "bis auf die Füße reichende Tunica der Göttin" gehandelt, "nur daß man wohl nicht annehmen kann, es sei dieser Chiton (original in griechischen Buchstaben, oho) ganz und bloß Gold gewesen, in welchem Fall Werth nothwendig über eine halbe Million Thaler steigen müßte, es auch nicht als etwas Künstliches habe gerühmt werden können, daß man den Schmuck, das Gold, ganz habe von dem Elfenbein der Statue abnehmen können; sondern es war wohl auch der Mantel von Elfenbein, dieß aber mit Gold belegt. Denn wenn wir bey einer Statue von 39 Fuß (~ 13 Meter, oho) den Chiton auch nur fünf und zwanzig Fuß lang, gegen 6 Fuß breit, und nur Eine Linie dick das Gold annehmen; so erhalten wir doch einen Kubickfuß Gold (i.e. ~ 29 Kilogramm, oho) der 19 mal schwerer als Wasser 1330 Pfund wiegt, und der den Werth einer halben Million Thaler hat, was auffallend mit den 40 Goldtalenten übereintrifft. Wäre aber der Chiton einzig und bloß aus Gold gewesen, müßte dann das Gold nicht dicker als Eine Linie gewesen seyn?" Bredows Korrektur einer Übersetzung von Johann David Heilmann, Wien 1812, findet sich hier.

Für eine Überschlagsrechnung setze ich das Talent á 26 Kilogramm mit dem aktuellen Wert der Feinunze von rund € 1.000 an; es ist übrigens die höchste Summe, die für das Edelmetall seit Einführung der Gemeinschaftswährung 1999 gezahlt wird. Daraus ergibt sich für den Bestand - also ohne die jährlichen Steuereinnahmen: 6540*26*1000/31,1* € 1000 = € 5.467.524.115,76 - mithin knappe 5,5 Milliarden Euro. Die jährlichen Einnahmen hätten sich demnach immerhin € 501.607.717,04 belaufen. Das scheint nicht so ganz unrealistisch.

Und überrascht mich doch. Ich hatte in einer ersten Schätzung - ohne Rechnung oder auch nur Kenntnis des Talent-Kilogramm-Verhältnisses - eine Summe von 250 bis 300 Millionen Euro getippt. Entweder habe ich mich bei meiner Schätzung komplett verhauen. Dann mögen mir professionelle Althistoriker das nachsehen und dürfen gern auf meine Kosten lachen. Oder aber der Goldpreis ist tatsächlich ein über die Jahrhunderte weg annähernd gleichbleibendes Kaufkraft-Anzeiger; dann allerdings hätte erst sein jüngster Anstieg zu einigermaßen realistischen Werten geführt. Interessant wäre sicher ein Vergleich zu den Werten der von Klein genannten Preise Ende der 1820er Jahre.

Frappierend beschreibt Thukydides auch, wie die Athener ihren Tempel und die darin aufgestellte Statue der Athene als Sparschwein verwendeten. 40 Talente setzt Perikles ihm zufolge allein für das darin verarbeitete "geläuterte Gold" an, das "ganz abzunehmen" sei. Vielleicht hatte Phidias die Bildsäule von Anfang an für dieses Zweck genau so konstruiert. Wichtig natürlich auch Perikles' Hinweis, die Athener dürften nur unter äußerstem Zwang auf die Rücklage zugreifen - und natürlich müssten sie das Genommene nachher "nicht geringer wieder ersetzen, damit die Schutzgöttin der Weisheit nicht erbost zurückbliebe.

Nicht ganz klar geworden ist mir der Anfang der 13. Kapitels des II. Buches, wo es heißt:

"[Seite 356] ... (13) Während sich die Peloponnesier noch auf der Landenge versammelten und auf dem Zuge begriffen waren, ehe sie in Attika einfielen, vermuthete Perikles, des Xanthippos Sohn, der mit neun andern, Feldherr der Athenäer war, da er einsah, der Einfall werde erfolgen, daß Archidamos, der zufälliger Weise sein Gastfreund war, entweder um sich persönlich gefällig zu machen, seine Ländereyen vielleicht öfters (Anm. 1: alternative Übersetzung Bredows "daß nicht etwa gar") verschonen und nicht verheeren werde, oder auch auf Befehl der Lakedämonier, um ihm dadurch Verdacht zu erregen, wie sie auch die Vertreibung der Heiligthumsschänder seinetwegen befohlen hatten. Er eröffnete also den Athenäern in der Versammlung, daß Archidamos zwar sein Gastfreund wäre, doch solle dieß nicht zum Nachtheil des Staates gereichen: seine Ländereyen und Häuser, wenn sie die Feinde nicht ebenso, wie die Andern verwüsten würden, wolle er als Gemeingut ansehen lassen, und daraus solle ihm kein Verdacht erwachsen."

Handelt es sich bei besagtem Archidamos etwas um den spartanischen König, also um Perikles' direkten Gegenspieler? Ich habe die Geschichte zu wenig präsent, um darüber urteilen zu können. Möglicherweise werde ich das bei Gelegenheit einmal nachrecherchieren.

Die Athener jedenfalls, sie hielten sich an Perikles' Empfehlungen. Noch einmal kommt Thukydides zu Wort (II, 14):

"[Seite 367] ... Als die Athenäer das vernommen hatten, folg- [Seite 368] ten sie und brachten von dem Lande Kinder und Weiber, und das andere Geräthe, was sie in der Haushaltung brauchten, ja sogar von den Häusern, die sie niederrissen, das Holzwerk herein; Schaafe und Lastvieh aber schickten sie nach Euböa hinüber und auf die nahe gelegenen Inseln. Doch wurde ihnen, da die meisten gewohnt waren, immer auf dem Lande zu leben, dieser Umzug schwer. ... [Seite 369]


Wie es zum Synoikismos auf Attika kam, erzählt Thukydides im folgenden Abschnitt. Mir aber ist das hier erst einmal genug. Die Katastrophe nahm ihren Lauf: Jedes Jahr bis 428 vuz marschierten die Spartaner an, belagerten Athen erfolglos und zogen sich im Winter wieder zurück. Denn sie hatten zu Beginn des Krieges zwar die kleinere Streitmacht, konnte sich aber laut Thukydides auf ihre Übermacht zur See verlassen (II, 13):

"[Seite 367] ... Schwerbewaffnete aber hatten sie dreyzehn tausend ohne die in den besetzten Plätzen, und die sechszehn tausend bey der Schutzwehr. Denn so viele hielten anfänglich Wache, als die Feinde eindringen wollten, von den Aeltesten und Jüngsten (Bürgern) und Schutzgenossen, so viele davon Schwerbewaffnete waren. Denn die Phalerische Mauer (Anm. 6: alternative Übersetzung von Bredow) betrug fünf und dreyßig Stadien bis an die Ringmauer der Stadt, und dieser Ringmauer besetzter Theil drey und vierzig. Ein Theil derselben war auch unbesetzt, der zwischen der langen und der Phalerischen Mauer. Die langen Mauern aber nach dem Piräus hin, betrugen vierzig Stadien (~ 7 Kilometer, oho), was aber unter Wache stand, war nur die Hälfte davon. Die Reiterey gab er zu ein tausend zwei hundert an mit den berittenen Bogenschützen und Dreyruder, (Anm. 7: Bredow diskutiere, ob es sich tatsächlich um ein dreirudrigeres Schiff gehandelt habe; Polybios und Diodorus Siculus hätten später allgemein von "Kriegsschiffen" gesprochen) die fahrbar, drey hundert. Diese besaßen die Athenäer und nicht weniger in jeder Gattung davon, als der erste Einfall der Pelponnesier erfolgen sollte, und sie sich zum Krieg anschickten. Perikles sagte auch noch Anderes, wie er gewohnt war, zum Beweis, daß sie im Kriege siegen würden. ... [Seite 368]"

Der große Athener starb 429 vuz innerhalb der Mauern, wo eine Seuche grassierte. Angesichts dessen bleibt zweifelhaft, ob er recht damit hatte, dass "das Meiste im Kriege aber durch Klugheit und Geldüberfluß entschieden werde".

Freitag, 4. Juni 2010

Was der Krieg in der Antike kostete

Was die Antike betrifft, ist das Internet leider noch immer ziemlich leer. Zumindest, wenn man Inhalte sucht - nicht irgendwelche Bilder historischer Stätten - also meist Ruinen. Die sind Legion.

Deshalb freue ich mich, dass ich heute über Peter C. Nadig gestolpert bin. Ich habe von ihm das Buch Zwischen König und Karikatur: Das Bild Ptolemaios’ VIII. im Spannungsfeld der Überlieferung, (Münchener Beträge zur Papyrusforschung und antiken Rechtsgeschichte, 97), München, C.H. Beck, 2007 gelesen. Ist schon eine Weile her, war ziemlich kompliziert. Hat mir aber - genau darum - gut gefallen.

Ausweislich dieser Internetseite arbeitet Nadig zurzeit in Erfurt (zuvor: Mannheim) an einem Projekt über die Kosten des Krieges in der Antike. Das ist doch schon Mal was:

"Im Krieg ist die Beschaffung von Geld (...) Gefährtin des Erfolgs."
(Diodor XXIX 6,1).


Hier findet sich der Tagungsbericht des Projekts mit vielen Vorträgen (unter anderem von Kai Brodersen) zu Einzelaspekten. Die Lektüre Wert.

Freitag, 21. Mai 2010

Die Schlacht auf dem Salzfeld oder: Wie die Hunnen zu Prokops Zeiten den Kampf begannen


Sommersonnenwende 534, im siebten Jahr der Herrschaft Justinians: Belisar beginnt den Vormarsch auf Karthago, um im Auftrag des oströmischen Kaiers die Vandalen dort anzugreifen. Prokop selbst hat vorher auf Sizilien die nötigen Informationen für die Attacke vom Sklaven eines dort als Händler tätigen Jugendfreundes erhalten. Die Vandalen unter König Gelimer sind unvorbereitet und marschieren in drei Säulen auf die Römer zu. Der erste Angriff an der rechten Flanke - zur Küste hin, wo die Flotte Kap Bon umschiffen muss und deshalb nicht für Deckung sorgen kann, wird abgeschlagen. Die linke Flanke von Belisars Heer wird durch Massageten-Socii gedeckt, de facto also hunnische Söldner. Sie treffen in einer Salzpfanne in der Nähe Karthagos auf die germanische Abteilung:

"[Seite 88] ... Fast zur gleichen Zeit kamen Gibamund und seine zwei tausend Mann auf dem Salzfelde an, welches vierzig Stadien [~ 7,2 Kilometer, oho] von Decimum entfernt ist, wenn man auf der linken Seite nach Karthago geht. Es ist leer von Menschen, Bäumen und jedem andern Erzeugnisse; das Salzwasser erlaubt nicht, daß in dieser Gegend sonst etwas anderes, als Salz entstehe. [Anm. 2: Dicht bei Karthago finden sich schon Salzquellen und auch in Tunis ist das Wasser salzig. Der drei Meilen lange Strich zwischen Tunis und Karthago ist dürres, trockenes Land und gehört zu der Ebene Biserte, die von Karthago gegen Süden und Osten liegt und welche hier gemeint ist. Dapper (???, oho) p. 286 Shaw (???),oho) p 75.] Dort stießen sie auf die Hunnen und wurden sämmtlich zu Grunde gerichtet. Es befand sich unter den Massageten ein Mann, der [Seite 89] sich zwar durch Tapferkeit und Körperkraft auszeichnete, aber nur wenige Leute befehligte. Dieser hatte, von Vätern und Vorfahren her, bei allen hunnischen Heerscharen das Vorrecht, zuerst in die Feinde einzufallen. Denn kein Massagete hatte die Befugniß, vorandringend, in dem Gefechte jemanden von den Feinden eher anzugreifen, als bis einer aus diesem Hause mit den Feinden den Kampf angefangen hatte. Dieser Mann sprengte mit seinem Pferde, als die Heerscharen einander nicht mehr fern waren, vor, und blieb ganz allein dicht vor dem Heerhaufen der Wandilen halten. Die Wandilen, entweder durch die Dreistigkeit des Mannes in Erstaunen gesetzt, oder argwöhnend, daß der Feind ein besonderes Kunststück im Sinne führe, kamen zu keiner Entschließung, eine Bewegung zu machen, oder den Mann anzugreifen. Ich vermuthe aber, daß, weil sie sich noch niemals mit den Massageten im Gefechte gemessen, wohl aber gehört hatten, daß es ein sehr streitbares Volk sey, sie deswegen vor der Gefahr sich gescheuet haben. Jener Mensch, welcher zu seinen Stammesverwandten zurück kehrte, sagte ihnen auf seine Weise: 'Gott habe diese Fremdlinge da ihnen als einen bereiteten Bissen zugesendet.' Als diese sodann vorstürzten, hielten die Wandilen nicht Stand, sondern löseten ihre Ordnung auf und wurden, ohne an die mindeste Gegenwehr zu denken, schimpflich alle niedergemetzelt. [Anm. 3: Zwei tausend von 600 Mann.] [Seite 90] Neunzehntes Kapitel ...]

Quelle: Des Procopius von Cäsarea Geschichte seiner Zeit, Erster Band enthaltend Persische Denkwürdigkeiten in zwei Büchern, übersetzt und mit Erläuterungen von Dr. Pet. Friedr. Kanngießer, Professort in Greifswald, ebd. in der Akademischen Buchhandlung 1827, 18. Kapitel.

Leider erwähnt Prokop nicht den Namen des Hunnen, der die Schlacht immer als erster eröffnen durfte. War er gar ein Schamane, ein adliger Priester? Schließlich beruft er sich auf "Gott". In meiner modernen heißt es sinnigerweise "die Gottheit". Und ich wüsste gerne, ob es diese Sitte bereits ein Jahrhundert zuvor unter Attila gegeben hat.

Donnerstag, 13. Mai 2010

Orte in Rom - Die Südwestecke des Palatin oder: Wo Augustus wohnte


Der Palatin beginnt, in meiner Vorstellungswelt zu entstehen. Erste Erkenntnis: Die auf dem Screenshot von Google Street View zu sehenden Gerüste rühren tatsächlich von Arbeiten an antiken Stützmauern her. Dabei dürfte sich um die handeln, hinter denen oben auf dem Hügel die Domus Tiberiana stand - wie ich bereits vermutet habe.

Der zweite Aufsatz in den Kaiserpalästen ist tatsächlich schwer zu lesen, wenn man die Geographie des Ortes nicht kennt. Dafür kann man aber viel darüber erfahren, wenn man sich damit auseinandersetzt. Das gilt sowohl für die antiken Bauten selbst wie für die Sitten und die Bedeutung, die die Römer über die Zeiten mit dem Ort verbanden.

Auf Basis der Angaben von Patrizio Pensabene in Das Heiligtum der Kybele und die Untergeschossbauten im Südwesten des Palatin (Kaiserpaläste, S. 18-31) und der dort abgedruckten Fundkarten habe ich versucht, die Gebäude in einem Foto des Modells von Italo Gismondi, das wohl im Stadtrömischen Museum steht und das auf Flickr zu finden ist, zu kennzeichnen.



Die dunkelgrünen Striche stellen den von mir vermuteten Verlauf der beiden Aufgänge an dieser Seite des Palatin dar: des Clivus Victoriae, der sich vom Velabrum kommend an der Seite des Abhang hinaufschlängelte, und der Scalae Caci, in die dieser Clivus mündete, wo eine Hütte als Haus der Romulus verehrt wurde, und an deren Anfang am Fuß des Hügels wohl das Lupercal zu suchen ist.

Was mir nicht bewusst war, ist die Bedeutung, die diese Ecke des Palatin auch schon in republikanischer Zeit für die Römer gehabt haben muss. Er wurde laut Pensabene im späten 4. Jhd. vuz "grandios" umgebaut. Er erklärt diesen "Entwicklungsschub ... vielleicht mit dem Wunsch", den Palatin

"nach dem Athener Vorbild zu einer Akropolis auszubauen - der Victoria-Tempel, das 'Haus des Romulus' und das Lupercal wiederholen die Organisation der Akropolis und ihrer Abgänge mir dem Parthenon, dem Erechteion und dem Lykeion".

Das spiegelt demnach die Entwicklung der Republik zu einer Mittelmacht wider, die sich nach der Unterwerfung Mittelitaliens gegen die hellenistischen Griechen im Süden der Halbinsel und im östlichen Mittelmeer sowie Karthago im westlichen Mittelmeer behaupten muss. Das begründet Pensabene mit zwei religiösen Entwicklungen: zunächst der stärkeren Verehrung der Victoria als eigenständiger Göttin, dann mit der Einführung des Kybele-Kultus.

Zum Victoria-Tempel schreibt Pensabene unter Berufung auf Titus Livius (X, 33), dass er 294 vuz von Lucius Postumius Megellus eingeweiht worden sei. Der Kult sei zwar offenbar nur erneuert worden. Der Bau zeige aber, dass er wegen der "Geschehnisse (...) um Romulus" - er meint offenbar dessen Sieg über seinen Bruder Remus - und vor allem wegen des Sieges der Römer im Samnitenkrieg sowie der Eroberungen in Süditalien gegen Ende des 4. und Beginn des 3. Jhds. vuz die Verehrung der Siegesgöttin an Bedeutung gewonnen habe. Auch dürfe nicht der nicht lange zurückliegende Welteroberungsfeldzug Alexanders des Großen nicht vergessen werden. Die "Theologie der Victoria" sei in Rom

"unter den gleichen Bedingungen wie bei den hellenistischen Monarchien gefördert (worden), das heißt durch die Umwälzungen einer neuen politischen Ordnung und durch die religiöse Rechtfertigung territorialer Expansion, in deren Folge der Sieg in den Rang einer neuen Gottheit aufstieg". (Kaiserpaläste, S. 20-21)

Für den Tempelbau begannen die Römer Pensabene zufolge mit der Errichtung von Substruktionen, wohl um das Gebäude gegen ein mögliches Abrutschen am Hang zu stabilisieren. Diese Substruktionen überwölbten demnach bereits den Clivus Victoriae. Die unterirdischen Räume waren offenbar zugänglich und wurden wohl auch genutzt. Die alte Straße sei im Zuge dessen leicht verlegt worden.

Augustus habe der Göttin Victoria später noch einmal eine stärkere Wertschätzung zukommen lassen - nicht zuletzt, weil der Geburtstag des Tempels auf den 1. August fiel. Das ist der Tag seines Sieges in der Seeschlacht von Actium 30 vuz und seines Einzugs in Alexandreia nach der Niederlage und dem Selbstmord Marcus Antonius'. Bezeichnenderweise nahm er diesen Monat, um ihn nach sich zu benennen, und setzte den ersten Tag auch als dies natalis des Tempels des Mars Ultor auf seinem neuen Forum fest. Das war immerhin der Bau, mit dem er den Tod der Cäsar-Mörder feierte, und in dem einer Legende nach dessen Schwert aufbewahrt worden sein soll.

Der Kult der Kybele kam 204/205 vuz aus Pessinus in Kleinasien nach Rom, wo die Göttermutter Magna Mater genannt wurde. Die Stadt war in Aufregung: Niemand wusste, was der in Italien eingefallene Hannibal vorhatte. In der Not zogen die Römer ihre Sybillinischen Bücher zu Rate - auch das Apollon-Orakel von Delphi soll seine legendäre Rolle gespielt haben. Das Ergebnis: Eine Delegation schaffte einen schwarzen Meteoriten in die Stadt, Hannibal unterlag den Römern (Kaiserpaläste, S. 22).

Der Kult wurde offenbar seht beliebt, obwohl er eingangs eher reichen Familien diente, ihren Einfluss auf die Außenpolitik zu untermauern, etwa den Scipio in Person des Scipio Nasica. Das alles geschah

"ungeachtet der kultischen Aspekte mit orientalischer Tradition, wie die Musik, der Tanz oder die rituelle Kastrationm, der sich eine bestimmte Gruppe von Kultdienern (die galli) zu unterwerfen hatten, die nach römischer Vorstellung für unrein gehalten wurden". (Kaiserpaläste, S. 22)

Vor allem die Megalensischen Spiele zu Ehren der Magna Mater dürften traditionellen Römern zunächst sauer aufgestoßen sein. Schließlich gehörten "zeremonielle Festbankette und die Theateraufführungen" im Rahmen der sogenannte Megalensischen Spiele [...] nicht unbedingt zu ihrer Vorstellung von Römertum. Bis kurz vorher waren Theatersspiele sogar noch komplett untersagt worden - da kein Gebäude dafür vorhanden war, nahm man den durch die Substruktionen vergrößerten Platz vor dem Kybele-Tempel. Und auf diesem Platz führten auch die Korybanten, die bewaffneten Ehrentänzer der Kybele, und die alten Tanzpriester der Salii aus der Curia Saliorum - möglicherweise das spätere Haus der Livia - ihren komplizierten Tanz auf.

Dieser Platz hatte also enorme sakrale Bedeutung für die Römer. Einen so hohen Stellenwert in der Religion hatte ich bislang nur dem Kapitol zugemessen. Dort wurden schließlich die drei Hauptgottheiten - Gottvater Jupiter, Matrone Iuno und Athena-Minerva - verehrt. Allerdings habe ich mit deren Kult nicht eingängig beschäftigt. Wahrscheinlich hat im Alltag eines Großteils des Volks ohnehin die Plebejer-Weihestätte der Ceres, des Liber und der Libera (also Demeter, Bakchos und Kore) direkt im Tal dem Palatin gegenüber zwischen dem Circus Maximus und dem Aventin eine größere Rolle gespielt. Ich muss mich mit diesem Aspekt noch einmal beschäftigen.

Klarer wird, warum Augustus diesen Platz, der seinerzeit mit den Stadthäusern vieler reicher Römer bebaut gewesen sein muss - vgl. das erste Kapitel der Kaiserpaläste, das sich mit der Entwicklung dieser Liegenschaft befasst - als sein Domizil ausgesucht hat. Denn wer hinaufstieg, musste an den bedeutendsten Heiligtümern des vergöttlichten Stadtgründers vorbei. Augustus stellte sich damit in eine Reihe mit ihm - auch hier versucht er offenbar, als legitimer Nachfolger des Romulus zu erscheinen. Der Tempel seines persönlichen Schutzgottes, des Apollon, dürfte diesen Eindruck für den Besucher noch verstärkt haben.

Sonntag, 9. Mai 2010

Antike Gebäude (2) - Das Pulvinar des Augustus, oder: Wo der erste Kaiser die Wagenrennen sah

Ich lese gerade das Buch Die Kaiserpaläste auf dem Palatin in Rom von Adolf Hoffmann und Ulrike Wulf (Ed.) über die Erforschung des Palatin in Rom. Derzeit versuche ich vor allem, mich auf dem Hügel zu orientieren. Dabei bin ich auf das Pulvinar gestoßen, laut Samuel Ball Platner
"eine Art Box auf der palatinischen Seite des circus [maximus, oho], von der aus die kaiserliche Familie die Spiele sehen konnte".

Als ich in den "Kaiserpalästen" im ersten (Übersichts-)Kapitel davon laß, dachte ich an einen Ausblickspunkt, der unmittelbar an das Haus des Augustus - das direkt oberhalb des Circus Maximus auf der südwestlichen Hügelflanke des Palatin lag - angebaut war. Aus der heutigen Lage ist das unter Einsatz von Google Earth / Street Map schwer zu rekonsturieren. Allerdings beträgt der Abstand von dem Gebäude, das wohl heute ein Museum (?) ist und das über dem Haus der Augustus stehen muss, gerade einmal 200 Meter Luftlinie - also durchaus Sichtweite. Demnach könnte das ein Platz gewesen sein, von dem aus Augustus mit Livia und anderen die Wagenrennen im Circus Maximus verfolgt haben - ohne dabei mit dem Pöbel in Berührung zu kommen.

Ob das die Absicht des sich volksnah gebenden ersten Kaisers gewesen sein kann, würde ich aber eher bezweifeln. Kann das im Circus versammelte Volk über zwei- oder dreihundert Meter gesehen haben, wie Augustus auf dem Pulvinar stand und zusah, um sich mit ihnen zumindest ideologisch gleichzustellen und zugleich zu zeigen, dass er selbst es war, der ihnen diese großzügige Form der Unterhaltung ermöglichte?

Die Beschreibung Ball Platners lässt auch die Möglichkeit zu, dass sich die "box" direkt im Circus Maximus befand; dann wäre eher an eine bauliche Verbindung zwischen Augustus' Haus und dieser Ehrentribüne in der Arena zu denken. Quasi der kurze Weg für den Imperator.

Die Ansichten von Rom, die Google über Earth / Street View ermöglicht, sind übrigens spektakulär und jedem zu empfehlen, der wie ich leider nicht nach Rom kommt. Allerdings verstellt natürlich die moderne Bebauung im doppelten Sinne des Wortes den ungestörten Blick auf den Palatin von unten. Der Screenshot (Street View) zeigt einen Blick von der Ecke Via San Teodoro / Via dei Cerchi ungefähr nach Nord-Nordost.


Zur Orientierung für den Resienden: Rechts am Ende des Platzes, der von dem modernen Gebäude verdeckt ist, steht nicht - wie ich zuerst dachte - die Kirche San Teodoro al Palatino.Es handelt sich vielmehr um die Kirche Basilica San Anastasia; das Schild ist auf den Bildern leicht zu lesen. Die inzwischen orthodoxe Kirche des Heiligen Theodor liegt die Straße den Hügel hinauf Richtung Forum Romanum. Zur Heiligen Anatsasia am Fuße des Palatin gibt es leider nur eine italienische Seite
, was ich nicht gut genug verstehe und die deshalb nicht beurteilen kann.

Die Gerüste oberhalb des Abhangs sind nach meinem Dafürhalten und Konsultation des leider nicht in den Rest der Stadt eingeordneten Bebauungsplans des Palatin in den "Kaiserpalästen" entweder für Bauarbeiten am Tempel der Magna Mater - der aber m. E. im Bild weiter vorn und weiter rechts liegen müsste - oder - was ich für wahrscheinlicher halte - an der Domus Tiberiana. Vielleicht sind es auch einfach nur Arbeiten an den Mauern, die den Abhang stützen - das scheint sich aus den Street-View-Bildern zu ergeben, wenn man dem Straßenverlauf folgt. Zur genauen Lokalisierung erhoffe ich mir mehr Information im entsprechenden Kapitel der "Kaiserpaläste" mit dem vielversprechenden Untertitel "Vom Wohnquartier zum Kaiserpalast".

Donnerstag, 1. April 2010

Antike Gebäude (1) - Saepta , oder wie Rom um Agrippa trauerte

Beim Lesen fiel mir auf, dass es keinen eigenen Wikipedia-Eintrag zur Saepta gibt. Bei der Suche dort wird nur hierhin verwiesen.

Demnach handelt es sich um eine Säulenhalle, die direkt an das Panthenon anschloss. Sie habe als "Treffpunkt für das Handeln von Luxusprodukten". Und offenbar auch als Versammlugnsort. Das zumindest beschreibt Cassius Dio, Römische Geschichte, LV, 8,5:

[Seite 1142] "...(Augustus stellt das von Agrippa nicht vollendete Diribitorium fertig, oho) der Säulengang auf dem Felde, den dessen (Agrippas, oho) Schwester Polla gebaut, die auch die Rennbahn angelegt hatte, war noch nicht vollendet. Zu dieser Zeit wurden auch Gladiatorenspiele zu Ehren des verstobenen Agrippa gehalten, denen in dunkler Kleidung das Volk und selbst die Söhne Augusts (Gaius und Lucius, oho), nur dieser nicht so, anwohnten, und wobei die Gladiatoren, erst Mann gegen Mann, hernach in ganzen Schaaren gleicher Zahl, gegeneinander kämpften, und zwar in den Septen (i.e. Saepta, oho), um auch hierdurch den Agrippa zu Ehren, zugleich weil viele Gebäude um den Markt abgebrannt waren."... [Seite 1143]

Quelle: http://books.google.de/books?id=C1c-AAAAcAAJ&dq=cassius%20dio&pg=PA1142#v=onepage&q=&f=true


Demnach fanden 7 vuz die Leichenspiele anlässlich des Todes des Marcus Vipsanius Agrippa statt. Er scheint bei der Bebauung des Marsfeldes auch diese Säulenhalle errichtet zu haben, denn Dio berichtet, die Feier sei "auch zu Ehren Agrippas" dort abgehalten seien.

Dabei trugen übrigens alle außer Augustus - auch seine beiden Enkel Gaius und Lucius als seine designierten Nachfolger - Trauerkleidung. Dass die beiden Kinder (Gaius war 13, Lucius zehn Jahre alt) das taten, ist für Dio eine Erwähnung wert. Dabei war es doch die Beerdigung ihrs Vaters.

Es ist die Beerdigung ihres Vaters. Durften Kinder gar nicht teilnehmen? Oder nur keine Trauerkleidung tragen? Oder lag das Besondere darin, dass sie bereits als Herrscher designiert waren?

Die ältere Übersetzung von Leonhard Tafel, die ich oben zitiert habe, legt einen Zusammenhang mit der Augustus-Nachfolge nahe. Gleiches gilt für meine gedruckte Übersetzung von Otto Veh:

[Seite 202] ... "Inzwischen hielt man die Leichenspiele zu Ehren Agrippas ab, wobei alle Anwesenden mit Ausnahme von Augustus schwarze Kleidung trugen und diesem Beispiel auch seine Söhne (i.e. Gaius und Lucius, oho) folgten." ... [Seite 203]

Quelle: Artemis & Winkler-Taschenbuch, Bd. IV


Demnach ziemte es sich für den Imperator (und seine designierten Nachfolger) offenbar nicht, in Trauerkleidung vor dem Volk zu erscheinen. Vielleicht haben das Volk von Rom und Augustus eine Ausnahme gebilligt, weil es sich bei dem zu ehrenden Toten eben um ihren Vater handelte.

Dienstag, 30. März 2010

Wo Drusus starb

[Seite 550]] ... Ebendahin, wo die Amasia [Ems, oho], fließen die Flüsse Visurgis [Weser] und die Lupias [Lippe], die ungefähr sechshundert Stadien vom Rhein entfernt ist und durch das Gebiet der kleinern Brukterer fließt. So gibt es auch einen Fluß, Namens Salas [Fußnote: Jetzt die Saale.], zwischem welchem und dem Rhein Drusus Germanicus, während er den Krieg glücklich führte, seinen Tod fand. Er unterjochte nicht nur sehr viele Völker, sondern auch die Inseln an den Küsten, worunter auch Burchanis, das er nach einer Belagerung einnahm.

Strabon, Gorgraphika, Buch VII § 3

Quelle: http://books.google.de/books?id=G1QMAAAAYAAJ&dq=strabo&pg=PA550#v=onepage&q=&f=false